Historie
Die Geschichte des Spinnens beginnt schon in der Steinzeit. Seit jeher hatten die Menschen versucht händisch aus kleinsten Fasern einen Faden oder eine Fläche zu erstellen. Die erste dokumentierte Methode nahm eine Handspindel zu Hilfe. Das Rohmaterial wurde sich unter den Arm geklemmt und die Hände wickelten die Fasern um die Spindel. Dann wurde die Spindel gedreht und der Faden aufgewickelt. So entstanden die ersten Garne, welche jedoch noch nicht sehr gleichmäßig waren. Aus der Spindel entwickelte sich das Spinnrad, das eine eigene Vorrichtung für das Halten des Rohmaterials und das Aufwickeln besaß. Das erste Spinnrad stammte aus China aus dem 13. Jahrhundert. Im Zuge der Massenproduktion wurde das Spinnrad mechanisiert, weiterentwickelt und optimiert, sodass der Mensch nur noch die Maschine bedienen musste. Durch die Industrielle Revolution wurden die Spinnmaschinen elektrifiziert, sodass nach Jahren der Entwicklung die heutigen vollautomatisierten Spinnapparate gebaut werden konnten.
Rohmaterialarten
Es wird in zwei grundsätzliche Rohmaterialien unterschieden. Es gibt Fasern und Filamente. Fasern sind kurze Teilstücke eines Materials. Hier wird nochmals in Kurz- und Langstapel unterschieden. Kurzstapelfasern sind zwischen zwei und vier Zentimetern lang und Langstapelfasern sind länger als vier Zentimeter. Die meisten Fasern sind Natur- und keine Synthesefasern. Filamente sind Endlosfäden. Diese sind meistens Synthesefasern, bedingt durch deren Herstellungsprozess. Filamente können in Fasern umgewandelt werden, indem sie geschnitten werden. Die einzige Naturfaser, die als Filament vorliegt, ist der Seidenfaden des Seidenspinners.
Garnarten
Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Garnarten. Generell gibt es Garne aus einem oder mehr Filamenten in glatt oder texturiert. Es gibt Einfachgarne, welche aus Stapelfasern bestehen, Coregarne, denen ein Filament im Kern zu Grunde liegt, welches von Fasern umsponnen wird oder Zwirne, die sich aus mehreren stark gedrehten Garnen zusammen setzen.
Spinnverfahren
Da es Naturfasern und Synthesefasern gibt, die extrem unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, werden sie auf komplett unterschiedliche Weisen erstellt. Naturfasern werden über die Kurz- oder Langstapelspinnerei gesponnen. Synthesefasern können durch das Nassspinnen, das Trockenspinnen und das Schmelzspinnen gewonnen werden. Alle drei Verfahren beginnen bei dem Aufschmelzen des Granulates für die Fasern. Nach dem Aufschmelzen läuft die Schmelze durch eine Spinndüse, welche sehr feine Filamente aus der Flüssigkeit zieht. Ab hier unterscheiden sich die drei Verfahren. Bei dem Nassspinnen werden die gezogenen Filamente in ein Flüssigkeitsbecken aus Wasser und Zusätzen geführt, um das Filament abzukühlen und zu fixieren. Anschließend wird es aufgewickelt. Das Trockenverfahren unterschiedet sich nur in so fern, dass statt dem Wasser eine andere Flüssigkeit verwendet wird. Bei dem Schmelzspinnen wird ebenfalls ein Granulat aufgeschmolzen und mittels Spinndüse extrudiert. Danach erfolgt eine Abkühlung via Kaltluft. Hier wird kein Flüssigkeitsbad zur Fixierung benötigt.
Wann welches Verfahren angewendet wird, wird bestimmt durch die Betriebsparameter, durch Materialparameter und durch den definierten späteren Anwendungsbereich.
Fadenherstellungsprozess
Während des Herstellungsprozesses entstehen viele verschiedene Zwischenprodukte, die benötigt werden, um am Ende daraus einen dünnes Garn spinnen zu können.
Die Fasern werden aus Übersee in sogenannten Ballen angeliefert. Die Fasern liegen hier noch in Form von Flocken vor, die mittels Druck in Ballen zusammen gepresst worden sind. Die Flocken werden einzeln von den Baumwollpflanzen per Hand abgepflückt. Pro Knospe der Pflanze entsteht eine Flocke. Der Ballen gelangt in die Putzerei, nach welcher die einzelnen Flocken aufgelöst vorliegen. Die Flocken werden zu einem Band kardiert, welches anschließend verstreckt wird. Aus dem verstreckten Band wird in der Vorgarnherstellung eine Flyerlunte erstellt, welche im nächsten Schritt – dem eigentlichen Spinnen – zu einem Garn auf einen Kops gesponnen wird. Der letzte Schritt ist das Umspulen des Kops auf eine Spule.
Während diesem Herstellungsprozess wird durch Vereinzelung, Parallelisierung, Streckung, Verzug und Drehung der Fasern ein Garn hergestellt. Das Garn wird zum einen durch die am Ende eingebrachte Drehung und die Faser-Faser Reibung untereinander zusammen gehalten und erzeugt die Stabilität.
Putzerei
Die Flocken werden in einem Ballen zusammengepresst angeliefert. Die Putzerei hat drei Hauptaufgaben: Öffnen, Mischen und Reinigen. Öffnen bedeutet, dass der unter Druck gepresste Ballen aufgelockert wird und die Flocken bzw. Fasern vereinzelt werden, sodass sie einzeln und lose vorliegen. Hierfür gibt es bestimmte Öffnermaschinen, die mittels unscharfen Zahnblättern die Ballen von der Oberseite an abraspeln.
Mischen bedeutet, dass mehrere Ballen untereinander gemischt werden, um die Rohstoffschwankungen der unterschiedlichen Flocken auszugleichen. Das kann auch genutzt werden um Garne mit mehreren Rohstoffarten herzustellen. Das Reinigen ist ganz besonders Wichtig, da die Flocken nicht rein vorliegen. In den Ballen ist zusätzlicher Staub oder sonstiger Dreck vom Ernten dabei. Des weiteren hängen an den Flocken noch Reste der Samenkapseln, die entfernt werden müssen. Nach der Putzerei liegen aufgelockerte und gereinigte Flocken vor, die in die Karde geschickt werden
Kardieren
Das Kardieren beschreibt das Öffnen der Flocken bis zur Einzelfaser, sowie die Orientierung der Fasern in Längsrichtung. Dies geschieht mittels einer Karde. Die Flockenmasse wird über Schächte in die Maschine eingespeist und durch mit Zähnen besetzten Walzen geführt. Die Zähne greifen die Flocken an und lösen sie zu einzelnen Fasern auf. Gleichzeitig entsteht durch die Walzendrehung ein Luftstrom gepaart mit einer mechanischen Richtungsweisung durch unterschiedliche Walzengeschwindigkeiten, die die Fasern in die Länge streckt und orientiert. Aus der Karde kommt ein watteähnliches Faserband heraus, welches dann in die Stecke läuft.
Strecken
Die Hauptaufgabe der Strecke ist das Parallelisieren des Faserbandes durch Verzug und das Vergleichmäßigen der Faserbänder durch Doublierung. Es laufen mehrere Faserbänder gleichzeitig in die Maschine ein. Die laufen durch mehrere Walzen, die unterschiedlich schnell laufen. Durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten werden die Bänder zu einem dünnen Band verzogen. So werden die Fasern gleichzeitig gestreckt und in Faserrichtung parallelisiert. Die Doublierung meint das Prinzip des Zusammenfassens von mehreren Bändern zu einem Band. Hierdurch werden Fehlstellen, Dickstellen und Dünnstellen durch die Mehrlagigkeit relativiert. Das Produkt der Strecke ist ebenfalls ein Faserband., welches in die Kämmerei gebracht wird.
Kämmen
In der Stufe der Kämmerei durchläuft das hergestellte Faserband speziellen Faserkämmen. Das Band wird durch den Kamm kurzzeitig wieder zerstört. Der Kamm fährt durch das Band und kämmt alle Fasern mit einer bestimmten Länge aus dem Band heraus. So kann gesteuert werden, welche Qualität und Eigenschaften das Garn später haben soll. Nach dem das Stück des Faserbandes gekämmt ist, wird es wieder über das Ende des Bandes gelegt, von welchem es abgerissen worden war und durch Verzug erneut verbunden. Das gekämmte Faserband wird nun in den Flyer gebracht.
Vorgarn
Aus dem Faserband wird nun ein Vorgarn erstellt. Es wird genau das selbe Prinzip wie bei der Strecke angewendet, nur laufen die Walzen deutlich schneller und die Unterschiede der Geschwindigkeiten sind größer. Dadurch wird das immer noch watteähnliche Faserband zu einem Vorgarn verstreckt, dass schon nahezu die Feinheit eines Garnes besitzt. Zusätzlich wird dem Vorgarn schon eine Schutzdrehung mitgegeben, dass es beim Spinnen den großen Belastungen und Spannkräften stand hält. Jedoch muss sie sehr gering sein, da das Garn sonst nicht mehr verzogen werden kann.
Spinnen
Das Vorgarn wird beim Spinnen durch ein Streckwerk geführt, dass das Vorgarn auf Garnfeinheit verzieht. Das verzogene Garn wird durch eine Metallöse gefädelt, die auf einem Ring um den Kops verläuft. Der Läufer bringt die Drehung in das Garn ein, indem er in einer Höheren Geschwindigkeit um die Spule läuft, als sie sich dreht. Es wird solange gesponnen bis die Spule voll ist und durch einen neuen leeren Kops ersetzt werden muss.
Es gibt mehrere Möglichkeiten ein Garn zu Spinnen. Es wird unterteilt in das konventionelle Spinnen und das unkonventionelle Spinnen. Die gängigste Variante ist das Ringspinnen, welches zuvor erläutert worden ist. Spricht man von dem konventionellen Sinnen, so meint man das Ringspinnen. Das Rotorspinnen und das Luftspinnen sind unkonventionelle Spinnverfahren. Spie funktionieren nach unterschiedlichen Prinzipien, die aber alle Fasern als Eingangssubstrat und ein Garn als Ausgangsprodukt aufweisen. Der unterschied liegt in der Erstellung des Garnes. Bei dem Rotorspinnen werden die Fasern in ein rundes Rotorblatt geleitet, bei welchem die Fasern durch die Zentrifugalkraft orientiert und gestreckt werden. Beim Verlassen des Rotors „crashen“ die Fasern in einander, da sie dabei deutlich abgebremst werden. Durch das ineinander crashen werden Reibstellen zwischen den Fasern erzeugt und ein Garn entsteht. Bei dem Luftspinnen wird ein Faserband als Ausgangsmaterial verwendet. Dieses wird in einen Konus geführt und Luft wird in Produktionsrichtung eingespeist. Durch die Luft wickeln sich die Haare der Fasern außen um den Konus und werden durch die Zugrichtung des Garnes auf das Garn gewickelt. Dadurch entsteht ein Garn, das einen nahezu parallelen Garnkern besitzt und außen durch Umwindefasern zusammengehalten wird.
Jedes der Spinnverfahren produziert andere Garnqualitäten für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Deshalb muss man vor der Produktion eines Garnes wissen, für welche Anwendung es verwendet werden soll.
Spulen
Die Kopse, die bei dem Spinnen hergestellt werden sind zu klein um sie zu verkaufen, da auf ihnen maximal 2000 m Garn sind. Deshalb werden sie umgespult auf große Garnspulen. Dabei werden die Enden der Garne mittels der Technik des Spleißens zusammengeführt. Bei dieser Technik werden die Garnenden in eine Maschine eingelegt, welche sie pneumatisch aufdreht, über einander legt und mittels einer Kombination aus Verzug und pneumatischem Druck wieder zusammen dreht.
Eigenschaften
Die Qualität eines Garnes hängt von vielen unterschiedlichen Parametern ab. Sie beeinflussen die Festigkeit, die Dehnung, die Haarigkeit, sowie die Fehlstellen und die Garngleichmäßigkeit. Es gibt sechs Einflussfaktoren, bei welchen eine genaue Einstellung besonders wichtig für die Qualität ist. Dies sind die Faseranzahl im Querschnitt, die Faserorientierung, die Faserlänge, die Anzahl der Drehungen im Garn und der Fehlstellen.
Die Faseranzahl im Querschnitt beeinflusst die Festigkeit des Garnes. Je mehr Fasern im Querschnitt sind, desto mehr Reibstellen entstehen zwischen ihnen, desto größer wird die Festigkeit des Garns.
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Die Faserorientierung beeinflusst ebenfalls die Festigkeit des Garns. Liegen die Fasern komplett parallel zur Fadenachse vor, so können sie besonders viele Reibstellen bilden. Ist die Faser gekrümmt im Garn eingebunden, so entsteht hier eine Sollbruchstelle, bei welcher das Garn unter Zugspannung bricht.
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Die Faserlänge hat ebenfalls einen Einfluss auf die Festigkeit. Je länger die Faser ist, desto größer ist die Oberfläche der Faser und desto mehr Reibstellen kann sie bilden. Die Faserlänge hat eine Auswirkung auf die Haarigkeit. Die Haarigkeit meint die herausstehenden Faserenden aus dem Garn. Garne aus Fasern haben immer eine gewisse Haarigkeit, da es nicht möglich ist eine Faser komplett in das Garn einzubinden. Dies liegt daran, dass durch die Drehung des Garnes auf den Faserenden ein besonders große Belastung liegt und sie dadurch nach außen abstehen, wenn sie nicht durch Reibstellen festgehalten werden. Je kürzer die Faser, desto mehr Enden stehen ab und desto haariger ist das Garn.
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Die Anzahl der Drehungen im Garn beeinflusst hauptsächlich die Festigkeit und Haarigkeit des Fadens. Je mehr Drehungen in einem Garn sind, desto stärker werden die Fasern zusammengepresst und desto schwerer können sie aus einander gerissen werden. Ebenfalls reduziert eine hohe Garndrehungsanzahl die Haarigkeit, da die Haare durch die Umwindungen des Garnes nach innen eingebunden werden.
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Die Fehlstellen beschreiben alle Arten von Unregelmäßigkeiten im Garn. Dies können Dickstellen, Dünnstellen, Nissen oder jeglicher Trash (Abfall) sein. All diese Fehler sind Sollbruchstellen, die alle Eigenschaften des Garns mindern und somit auch die Qualität verschlechtern.
Für all diese Parameter gibt es gewisse Grenzwerte für unterschiedliche Qualitätsklassen. Diese kann man in den Maschinen einstellen und so gezielte Qualitäten herstellen. Prinzipiell kann aus jedem Garn jede Qualitätsstufe erstellt werden.
Autorin: Isabel Hofmann, Textiltechnologin, 2018